Zucht und Haltung

Erster Teil: Das neue Hobby

Vor der Anschaffung zu überlegen

Der Kauf eines Vogels darf nicht voreilig erfolgen und nicht nur einer vorübergehenden Laune entspringen. Ein Kanarienvogel kann bis zu 15 Jahre alt werden und er erwartet jeden Tag Pflege und Zuwendung.

Vögel sind Lebewesen und keine Ergänzung der Wohnungseinrichtung, kein Modeartikel oder Spielzeug. Leider sind sie auch entgegen einer allgemein verbreiteten Meinung keine pflegeleichten Hausgenossen.

Vor der Anschaffung eines Kanarienvogels sollten Sie sich die folgenden Fragen kritisch stellen:

Steht ausreichend Geld und Zeit zur Verfügung?

Welche Ansprüche stellt der Vogel an Käfiggröße und Futter?

Wo kann der Vogel untergebracht werden?

Wer pflegt den Vogel im Urlaub?

Können nicht alle diese Fragen befriedigend beantwortet werden, dann sollten Sie auf die Anschaffung eines Vogels verzichten.

Was ist beim Kauf eines Kanarienvogels wichtig ?

Ein Vogel sollte möglichst direkt vom Züchter gekauft werden, denn dort ist Hilfe zu Fragen zur Haltung und Auskunft über die bisherige Fütterung zu erhalten.  Außerdem kann ein persönlicher Kontakt mit Fachkundigen bei später eventuell auftretenden Problemen nützlich sein.

Organisierte Vogelzüchter erkennen Sie daran, dass die Vögel mit einem geschlossenen Fußring, der die bei AZ oder DKB eingetragene persönliche Ringnummer des Züchters enthält, beringt worden sind. Verantwortungsvolle Züchter halten die Zuchttiere während der Zucht paarweise und betreiben eine kontrollierte Linienzucht, durch die die wünschenswerten Eigenschaften der Vögel (Gesundheit, Farbe, Verhalten, Gesang etc.) erst gefestigt werden können. Daher ist der Kauf eines gesunden, schönen Kanarienvogels beim Züchter häufig nicht wesentlich günstiger als im Handel, da die Zucht mit großem Aufwand betrieben wird. Außerdem lassen verantwortungsvolle Züchter ihre Zuchttiere höchstens zwei Mal im Jahr Jungtiere aufziehen. Die Massenproduktion von Kanarienvögeln, bei der die Hennen ständig von Mauser zu Mauser legen und Jungtiere aufziehen müssen, wird von organisierten Züchtern strikt abgelehnt. Meistens hat man daher an seinem neuen Gefährten mehr Freude, wenn er aus einer organisierten Kanarienzucht stammt. Die Vögel werden ständig beobachtet und gegen die schlimmsten Kanarienkrankheiten vorbeugend behandelt.

Während des Besuchs beim Züchter sollten Sie den Zuchtraum und die Volieren in Augenschein nehmen.

Der ausgewählte Vogel wird im Käfig beobachtet, ohne ihn dabei zu beunruhigen.

Sitzt er aufgeplustert da?

Wird die Sitzstange nicht kräftig mit den Zehen umschlossen?

Ist das Gefieder verschmutzt?

Wippt der Schwanz beim Atmen?

Gibt sich der Vogel auffällig zahm?

Ein solcher Vogel ist nicht gesund und sollte nicht gekauft werden. Es sollte also nicht der ruhigste Vogel ausgesucht werden, denn es handelt sich nicht unbedingt um ein liebes und zahmes, sondern wahrscheinlich um ein krankes Tier.

Ein gesunder Vogel hat wache Augen, nimmt Anteil an der Umgebung, ist in eine Schar weiterer Vögel integriert und wird sich jedem Fangversuch durch Flucht entziehen.

Haltung und Haltungsfehler

Kanarienvögel sind außer während der Brutzeit Schwarmvögel. Daher sollten Sie sich immer für wenigstens zwei Vögel in einem Käfig entscheiden. Die „alte Weisheit“, dass ein einzelner Vogel zahmer wird als mehrere Vögel in einem Bauer zusammen, stimmt absolut nicht. Wenn Kanarienvögel Vertrauen zu seinem Besitzer gefunden haben, werden sie von ganz alleine zutraulich. Das gilt um so mehr, wenn sich der Vogel zusammen mit einem oder mehreren Artgenossen in seiner Umgebung wohlfühlt.

Ob Sie sich für ein Pärchen oder zwei Männchen entscheiden ist ohne Belang. Bedenken Sie aber, dass Weibchen nicht singen können.

Käfighaltung

Kanarienvögel können in geräumigen Bauern gehalten werden. Allerdings sollte dabei nicht vergessen werden, dass ein Vogel zur Gesunderhaltung auch einmal fliegen muss. Geben Sie Ihren Schützlingen daher regelmäßig Gelegenheit, im Zimmer einige Flugrunden zu drehen – Sie werden sehen, nach einer Weile gehen die Vögel in Ihren vertrauten Bauer von ganz alleine zurück.

Käfig

Generell gilt, dass der Käfig so groß wie möglich sein sollte.  Für Kanarienvögel  sollte der Bauer länger als hoch sein, um auch einige Flügelschläge zu ermöglichen.

Runde Käfige sind in jedem Fall abzulehnen, da sie den Vögeln weder genügend Möglichkeiten zum Hüpfen, geschweige denn zum Fliegen bieten.  Durch die stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit kommt es häufig zu Verhaltensstörungen und Übergewicht. Käfigvögel, die längere Zeit keinen Freiflug hatten, sind schon nach kurzer Flugzeit außer Atem. Hier hilft nur der regelmäßige Freiflug. as stärkt zudem das gesamte Imunsystem des Vogels und beugt so Krankheiten vor.

Die regelmäßige, wöchentliche Reinigung sollte mechanisch mit Wasser und Seife oder Geschirrspülmittel erfolgen. Anschließend muss gründlich getrocknet werden, bevor der Vogel wieder in seine Behausung hinein darf.

Stangen

Der Käfig sollte nur zwei bis drei Stangen enthalten, damit genügend Platz für Bewegungen übrig bleibt.

Achten Sie darauf, dass die Stangen weit genug voneinander entfernt sind, um den Vogel auch zur Benutzung seiner Flügel zu zwingen. Als Stangenabstand im Kanarienvogelkäfig sind 30 bis 40 cm zu empfehlen.  Weiden- oder Obstbaumzweige mit Rinde eignen sich am besten. Sie sind weich, haben unterschiedliche Durchmesser und darüber hinaus noch wertvolle Inhaltsstoffe.  Diese Zweige sollten jedoch so häufig wie möglich, mindestens einmal monatlich ausgewechselt werden , da sich in den rauhen Oberfläche nur allzugerne Milben und andere Plagegeister einnisten. Buchenholzsitzstangen aus dem Fachhandel haben sich ebenfalls bewährt. Sie können mit heißem Wasser überbrüht werden. Nach der Abtrocknung können sie wieder in den Käfig gegeben werden.

Viereckige Sitzstangen sind völlig ungeeignet.

Plastikstangen sind viel zu hart und fördern, ebenso wie das zur Abnutzung der Krallen angebotene Schmirgelpapier auf den Stangen oder dem Käfigboden, die Entstehung von Druckstellen und Sohlengeschwüren an den Fußgelenken und Zehen der Vögel.

Auf jeden Fall sollte man auf unterschiedliche Durchmesser der Sitzstangen achten. So können die Vögel ihre Fußgelenke ständig trainieren. Gelenkkrankheiten wird so vorgebeugt.

Käfigboden

Um eine schnelle und gründliche tägliche Reinigung zu gewährleisten, legt man den Käfigboden statt mit Sand mit Haushalts- oder Zeitungspapier aus.  Kot und Harnbeschaffenheit können so kontrolliert werden und es wird kaum Staub aufgewirbelt. Bei Sandeinstreu besteht auch die Gefahr, dass der Vogel gleichzeitig mit dem Sand vom Käfigboden Kot und eventuell Keime und Parasiten aufnimmt.  Diese Gefahrenquelle wird geringer, wenn dem Vogel Sand und Grit in kleinen Näpfen angeboten wird, so dass er keine Veranlassung mehr hat, zwischen seinem Kot auf dem Boden nach Gritsteinchen zu suchen.

Das Abdecken des Käfigbodens mit einem Gitter kommt für Kanarienvögel nicht in Betracht, zumal die Kotablagerungen unter dem Gitter ebenfalls zur Übertragung von Krankheiten führen können.

Das Auslegen des Käfigbodens mit vorgefertigten Sandpapier mag zwar auf den ersten Blick schön und bequem sein. Für den Vogel ist das Herumlaufen auf diesem Papier jedoch eine Tortour, da die Schmirgelwirkung der festen Sandkörner die empfindlichen Füße der Tiere reizt.

Gritsteine und Kalk

Magengrit (Aquariumkies oder -sand, besser noch spezielle Gritmischungen mit Muschel- und Steinchenanteilen) kann entweder separat in kleinen Hängenäpfen oder zusammen mit dem Futter angeboten werden.  Körnerfresser sind zur mechanischen Futterzerkleinerung der Nahrung im Muskelmagen auf Gritsteine angewiesen.

Besonders in Zeiten erhöhten Kalkbedarfs (Brutsaison, Mauser) ist darüber hinaus eine ausreichende Versorgung mit Kalk wichtig.  Er wird in Form von Kalkstein, Sepiaschale (vorher wegen des Salzgehalts wässern) oder Kalkgrit (gewaschene, zerkleinerte Muschelschalen) bereit gestellt.

Futter- und Trinknäpfe

Futter und Wasser wird in Näpfen angeboten. Diese sollten nicht direkt unter einer Sitzstange angebracht werden, so dass eine Verunreinigung mit Kot ausbleibt. Eine Abdeckung ist dafür zusätzlich nützlich. Futter- und Wassernäpfe werden täglich gereinigt und anschließend gut getrocknet. Bewährt haben sich mindestens zwei Trinkgarnituren, die täglich im Wechsel an den Bauer gehangen werden.

Auch Futterautomaten, die sich im übrigen nur für trockenes Körnerfutter eignen, müssen täglich kontrolliert werden, zumal der Auslass schnell durch Spelzen verstopfen kann.

Für Kanarienvögel haben sich Näpfe mit einem Loch, durch das die Vögel zur Futteraufnahme ihren Kopf stecken müssen, bewährt. So bleibt der Futternapf sauber und es wird wenig Futter verschwendet, da die Vögel die Körner zum Entspelzen einzeln aus dem Napf entnehmen müssen. Achten Sie bei neuen Vögeln aber auf eine langsame Eingewöhnung. Vögel, die solche Lochnäpfe nicht kennen, suchen im Käfig verzweifelt nach Futter und können sogar verhungern. Am Besten Sie streuen in der Anfangszeit etwas Futter auf den Käfigboden. Die Menge dieses Futters sollte täglich verringert werden. Im Lochnapf muss natürlich immer ausreichend Futter enthalten sein.

In Trinkwasserautomaten können sich bei direkter Lichteinstrahlung besonders schnell Algen bilden und daher muss nicht nur ein tägliches Nachfüllen, sondern auf alle Fälle auch eine tägliche Säuberung erfolgen! Das beugt zudem der bei Kanarienvögeln immer häufiger vorkommende Infektion mit Trichomonaden vor.

Bademöglichkeit

Kanarien sind Wasserratten. Deshalb sollte jeder Vogel täglich die Möglichkeit zum Baden haben. Entweder bekommt er ein Badegefäß in den Käfig gestellt oder er wird mit einer Blumensprühflasche mit frischem Wasser abgeduscht.  In Sprühflaschen können sich Bakterien ansiedeln, deshalb müssen diese ebenfalls gründlich gereinigt werden. Blumenspritzen, in denen zuvor Dünger oder Pflanzengifte versprüht worden sind, eignen sich – auch nach gründlicher Reinigung – nicht für die Verwendung beim Kanarienvogel !

Man verwendet kaltes Wasser, weil warmes Wasser  in das Federkleid eindringen und so eine Erkältung entstehen kann.  Anschließend nicht frottieren, nicht fönen, sondern den Vogel lediglich in einen warmen, zugfreien Raum setzen.

Standort des Käfigs

Der Käfig sollte in Augenhöhe des Menschen aufgestellt werden und mit einer Seite an der Wand stehen. Der Standort sollte möglichst selten gewechselt werden. Der Käfig darf nicht der direkten Sonneneinstrahlung (Fensterbank) ausgesetzt sein. Die Küche ist wegen der Essensdämpfe und der Gefahrenquellen beim Freiflug sowie wegen Vergiftungsmöglichkeiten kein idealer Platz für einen Vogelkäfig.

Um dem Vogel ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu geben, bieten sich Plätze in hellen Ecken an, so dass der Käfig von zwei Seiten durch die Wand abgegrenzt wird. Die Tiere fühlen sich darin sicherer als in allseits offenen  Bauern. Außerdem sollte jeder Bauer nachts abgedeckt werden, so dass der Vogel selbst bei künstlicher Beleuchtung und Fernsehberieselung feste Tages- und Nachtzeiten einhalten kann.

Temperatur

Der Tag- und Nachtrhythmus sollte auch durch unterschiedliche Raumtemperaturen zum Ausdruck kommen.

Bei zu hohen Temperaturen (über 40 Grad C) versuchen Vögel sich durch Abspreizen der Flügel und Atmen mit geöffnetem Schnabel (Hecheln) abzukühlen.  Die Federn werden eng an den Körper angelegt, um die isolierende Luftschicht so klein wie möglich zu bekommen.  Dieses „Schlankmachen“ zeigen Vögel auch bei Angst oder Aufregung.

Bei zu niedriger Umgebungstemperatur sitzen Vögel aufgeplustert, um so die isolierende Luftschicht ihres Federkleides zu vergrößern.  Dieses Aufplustern ist bei einem gesunden Vogel bei kalten Außentemperaturen (unter 7 Grad C) eine ganz normale Reaktion.  Wenn sich der Vogel aber bei normalen Temperaturen so aufplustert, ist dies meistens ein Zeichen für eine Erkrankung.

Licht

Vögel sind in ihren Lebensäußerungen stark abhängig vom Tageslicht.  Tageslänge und Jahreszeit beeinflussen maßgebend die Aktivitäten und den Lebensrhythmus.

Futter wird nur bei Tageslicht aufgenommen, so dass es im Winter zu mangelnder Futteraufnahme mit Abmagerung kommen kann. Die Verlängerung der Tageslichtlänge im Frühjahr führt zur Anregung der männlichen und weiblichen Keimdrüsen. Käfigvögel sollten daher im Sommer Zugang zu Sonnenlicht haben. Sie müssen aber jederzeit die Möglichkeit haben, in den Schatten auszuweichen und dürfen keinesfalls der prallen Sonne schutzlos ausgesetzt werden. Durch die Sonnenlichtbestrahlung kann Störungen der Mauser, des Hormonhaushaltes und des Stoffwechsels vorgebeugt werden. So wandeln Sonnenstrahlen Vorstufen von lebenswichtigen Vitaminen in die wirksamen Endstufen um.

Günstig bei Sonnenlichtmangel sind Lampen, deren Licht auch UV-Strahlen abgibt, beispielsweise die True-Lite-Lampen.  Sie sollten aber regelmäßig gewechselt werden, da es bei Überalterung zu einer Erhöhung des UV-Anteils im Licht und dadurch hervorgerufene Futtermittelsterilisationen und Zerstörungen der normalen Keimbesiedelung im Darm kommen kann.

Luft

Bedingt durch ihre hohe Stoffwechselaktivität haben Kanarienvögel einen großen Sauerstoffbedarf. Unterbringung in schlecht gelüfteten, staubigen Räumen sollte vermieden werden.  Auf keinen Fall dürfen Kanarien Zugluft ausgesetzt werden, Krankheiten der Atemwege können die Folge sein. Rauchen im Raum des Kanarienvogels ist außerdem absolut Tabu. Wenn Sie Raucher sind, sollten Sie für Ihren Vogel einen geeigneten Platz in einem Raum ohne Zigarettenqualn auswählen.

Eine Luftfeuchtigkeit von 60-70 % gilt für die Kanarienvögel als optimal.  Im Winter sollten daher Wasserbehälter an die Heizkörper der Wohnräume gehängt werden.

Fütterung

Fütterungsfehler zählen zu den häufigsten Ursachen für Erkrankungen von in Einzelkäfigen gehaltenen Kanarien.  Grund dafür ist oft die ungenügende Kenntnis der Besitzer über Futterbedarf und -gewohnheiten der Vögel.

Ein Kanarienvogel kann sterben, wenn er für einen Tag kein Futter vorfindet. Im Urlaub ist es also nicht möglich, den Vogel zu Hause zu lassen und womöglich Futter für eine Woche in seinen Bauer zu streuen in der Hoffnung, der Vogel würde sich die Menge einteilen.  Auch reicht es nicht, wenn ein Nachbar einmal am Tag nach dem Vogel sieht.

Futtermischungen

Vogelfutter muss immer kühl und trocken gelagert werden. Riecht das Futter muffig, ist es von Futtermilben befallen und sollte nicht verfüttert werden.

Die weitverbreitete Meinung, dass Kanarienvögel ausschließlich vegetarisch ernährt werden müssen, ist falsch.  Außerdem ist ein Futterangebot abzulehnen, das jahreszeitliche Schwankungen nicht beachtet, da es hierdurch zu Stoffwechsel- und Fortpflanzungsstörungen kommen kann.  Die handelsüblichen Futtermischungen für Kanarienvögel setzen sich aus Pflanzensamen zusammen, die im wesentlichen Kohlenhydrate (Stärke, Zucker) enthalten, so dass bei ausschließlicher Fütterung ein Mangel besonders an tierischem Eiweiß und Vitamin A entstehen würde. Darüber hinaus ist das Verhältnis von Kalzium und Phosphor ungünstig, so daß es für Jungtiere zu ungenügender Einlagerung von Mineralstoffen in die Knochen kommen kann.

 

Zimmerpflanzen müssen beim Freiflug im Auge behalten werden, da Kanarien sich auf alles Grüne stürzen und daran herumknabbern. Viele Zimmerpflanzen sind jedoch für Vögel giftig, weshalb es hier zu Todesfällen kommen kann.

Wasser

Die tägliche Wasseraufnahme des Kanarienvogels schwankt  zwischen 10 und 20 % des Körpergewichtes und ist von der Umgebungstemperatur und der Futterbeschaffenheit abhängig.  Mit dem Trinkwasser nimmt der Vogel auch Jod auf, welches in die Schilddrüsenhormone eingebaut wird.  Da der Vogel auch Mineralstoffe mit dem Trinkwasser aufnimmt, sollte weder abgekochtes, noch gefiltertes Wasser gegeben werden, eher eignet sich Mineralwasser ohne Kohlensäure oder normales Leitungswasser. Die von einigen Herstellern angebotenen Trinkwasserzusätze können ab und zu verabreicht werden. Die ständige Gabe von „Vogelwasser“ aus dem Handel ist aber nicht erforderlich.

Eiweiß

Um einem Mangel an Eiweiß durch ausschließliches Körnerfutter vorzubeugen, wird zusätzlich einmal wöchentlich  tierisches Eiweiß in Form von Ei (mindestens 10 Minuten kochen), Quark, Frischkäse oder Joghurt angeboten.  Ein erhöhter Bedarf an Eiweiß besteht während der Mauser und in Zeiten der Eibildung.

Zum Knabbern und zur Beschäftigung werden besonders im Frühjahr Obstbaumzweige mit frischen Knospen angeboten.  Sie zeichnen sich sowohl durch ihren Eiweißgehalt als auch durch den hohen Anteil an Gerbsäuren und Ballaststoffen aus.

Durch das Vorkeimen der Körnerfuttermischung kommt es zur besseren Verdaulichkeit und zur Anreicherung von Vitaminen.  Auch der Eiweißgehalt wird erhöht.  Bei diesem Keimfutter ist aber Vorsicht bei warmem Wetter geboten!  Es kann verderben und Schimmelpilze können sich entwickeln, auf die Kanarienvögel außerst empfindlich reagieren.

Vitamine

Vitamine sind lebensnotwendig, da sie Bestandteile verschiedener Hormone und Fermente sind und wichtige Funktionen im Stoffwechsel übernehmen.  Die Vitamine A, D und E sind fettlöslich und können im Körper gespeichert werden.  Nur bei diesen Vitaminen kann es daher auch zur Überdosierung kommen.

Von den Vitaminen können die meisten Vögel lediglich Vitamin C und D selbst herstellen, alle anderen Vitamine müssen mit der Nahrung zugeführt werden.

Vitamine holt sich der Vogel aus Obst wie Apfel, Banane, Apfelsine, aus Gemüse wie Paprika und Petersilie oder aus Grünzeug wie Vogelmiere und Löwenzahn.  Kopfsalat kann ebenfalls gelegentlich angeboten werden, sollte aber gründlich gewaschen und nur in kleinen Portionen angeboten werden.  Löwenzahn und Vogelmiere sollten nicht gerade von Straßenrändern gepflückt werden. Die in ihnen enthaltenen Abgasrückstände könnten Vergiftungs-erscheinungen auslösen.  Kohl und Schotengemüse sollten nur in kleinen Mengen gegeben werden, da sie zu Blähungen führen können.  In tierischen Produkten wie Ei ist das fertige Vitamin A enthalten.  In Grünfutter wie Vogelmiere, Salat, Karotten oder Mais tritt es in Form einer Vorstufe auf (Carotin).

Nimmt der Vogel keinen der genannten Vitaminträger auf, sollte Vitamin A in der Dosierung 4000-5000 Internationale Einheiten (l.  E.) je Liter dem Trinkwasser zugesetzt werden; eine Überdosierung kann unter anderem Allgemeinstörungen, Hautentzündung und Federveriust herbeiführen.

In handelsüblichen Samenmischungen fehlt häufig Vitamin D. Zur Umwandlung des Provitamins (Ergosterin, 7-Dehydrocholesterin) bedarf es des Sonnenlichtes.  Vitamin D fördert den Einbau von Kalzium und Phosphor in den Knochen.

Vitamin E kommt in fetthaltigen Getreidekörnern wie Leinsamen, Raps, Rübsen, Hanf und Negersaat vor. Es hat wichtige Funktionen beim Stoffwechsel und im Fortpflanzungsgeschehen. Bei Verfütterung großer Mengen ranziger Getreidekörner kann es zu Mangelerscheinungen wie herabgesetzte Befruchtungsraten, Gehirnschäden, Zittern, Kopfdrehen usw. kommen.

B-Vitamine können im Vogelkörper nicht gespeichert werden und müssen daher regelmäßig zugeführt werden.  Sie sind in Bierhefe, Eiern, frischem Gemüse und Pflanzenkeimlingen enthalten, werden aber auch von den Darmbakterien aufgebaut. Zur Ergänzung des Vitamin- und Mineralienbedarfs ist es angebracht, wöchentlich einmalig ein gutes Vogelvitaminpräperat aus dem Fachhandel über das Trinkwasser zu verabreichen. Die Lösung ist täglich frisch zuzubereiten, da die Vitamine schon nach kurzer Zeit ihre Wirksamkeit verlieren.

Vorsicht vor Überdosierungen ! Die Dosierungsangaben des Herstellers müssen genau einhalten.

Mineralstoffe

Diese anorganischen Substanzen werden vermehrt zu Zeiten des Wachstums, der Mauser und der Legetätigkeit gebraucht. Die einfachste und billigste Möglichkeit ist Zugabe von zerkleinerten Schalen von hart gekochten Eiern oder Muschelkalk zum Futter.

Literaturhinweise:

Kanarien, Klaus Speicher, ISBN 3800172852

Alles über Kanarienvögel, Heinz Schnoor, ISBN 3806809011

Das große Kanarienbuch, A. Rutgers, ISBN 9060361156 (im Handel nicht mehr erhältlich)

 

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Zweiter Teil: Das neue Hobby wird zur Passion

Die meisten Besucher dieser Seiten werden selbst Kanarien halten und haben bereits aus der vorhandenen Literatur entnommen, wie die Vögel untergebracht und gepflegt werden. Trotzdem sollen hier noch einige grundlegende Anmerkungen und Tipps gegeben werden.
Kanarien können in Käfigen, Vitrinen und Volieren gehalten und auch gezüchtet werden.  Es hängt ganz davon ab, was man damit erreichen will.  Gegenwärtig wird die Zucht in Brutkäfigen vorgezogen; das sind sogenannte  Kistenkäfige, die ringsum geschlossen und nur an der Vorderseite mit einem Gitter aus Drahtstäben versehen sind.  Das geringste für einen  Einzelkäfig in Betracht  kommende  Format sollte folgende Maße haben: Länge 50 cm, Tiefe 40 cm und Höhe 40 cm.  Am Drahtgitter werden von außen Trinkfläschchen, Futtemäpfe und innen je ein Gefäß für Leckerbissen und Vogelgrit  angebracht, während das Nistkörbchen und eine kleine Raufe für Grünfutter ihren Platz im Inneren des Käfigs haben.  Es müssen ferner mindestens zwei Sitzstangen vorhanden sein, und überdies muss für die Vögel noch Raum zum Fliegen bleiben.
Generell gilt: Je größer die Zuchtboxen sind, desto besser für die Vögel.
Man kann auch einen Doppelkäfig benutzen, entweder als Hecke für zwei Pärchen oder zu dem Zweck, das Männchen vor und nach der Paarungszeit vom Weibchen zu trennen.  Viele Liebhaber setzen zur Zucht ein Männchen mit zwei oder noch mehr Weibchen an und verwenden dazu einen dreiteiligen Brutkäfig.  Das mittlere Abteil ist für das Männchen vorgesehen, das nun nach Bedarf zu dem einen oder anderen Weibchen eingelassen wird.  Die einzelnen Gelasse sind durch Schiebewände voneinander getrennt, in denen sich Luken befinden, durch welche der Hahn seine künftige Partnerin kennenlernen und anbalzen kann.  Teilt man das Mittelabteil in zwei Etagen auf, so kann man zwei Männchen darin unterbringen.  Die Maße der zwei- und dreiteiligen Brutkäfige lassen sich von denen der Einzelhecke ableiten.  Natürlich sollen die jungen Kanarien ausreichend Gelegenheit haben, sich zu entwickeln und werden, sobald sie selbständig sind, in einem geräumigen Käfig oder einer Voliere untergebracht.  Da das Kanarienweibchen zwei- oder dreimal hintereinander zur Brut schreitet, müssen die Jungen noch einige Zeit vom Männchen gefüttert werden, und wenn man sie in ein angrenzendes Abteil setzen kann, wird das Männchen diese Aufgabe auch durch das Drahtgitter hindurch erfüllen.  Die Sitzstangen müssen fest angebracht, aber leicht herausnehmbar sein, damit sie gereinigt oder durch andere ersetzt werden können.  Die Vögel müssen die Sitzstangen mit den Zehen vollständig umschließen können; zu dicke oder unsicher angebrachte Sitzstangen sind häufig Ursache unbefruchteter Gelege!
Brutkäfige werden am besten in einem ruhigen Raum mit Fenstern nach Osten oder Südosten aufgestellt, so daß den Vögeln die Morgensonne zugute kommt.  Natürlich ist auf äußerste Sauberkeit der Zuchtboxen zu achten, um Ungeziefer und Krankheiten fernzuhalten.  Für frische Luft und viel Licht muss  ebenfalls gesorgt werden. In ungeheizten Räumen gezüchtete Kanarien sind am widerstandsfähigsten, nur für ein paar besondere Rassen gelten andere Regeln. Kanarien sind Vögel, die gerne baden.  Ein Badehäuschen ist daher notwendiges Zubehör. Am besten hängt man es einmal täglich vor die Käfigtür.
Das Grundfutter der Kanarien,die verschiedenen Sämereien, müssen natürlich von bester Qualität sein.  Die wichtigsten Sorten sind süßer Rübsen und Glanz (Spitzsaat); ergänzt werden sie mit geringen Mengen Negersaat, Leinsamen und Hanf, auch mit etwas geschältem Hafer, sowie Salat- und manchen Unkrautsamen.  Im Handel sind sehr gute Mischungen erhältlich, sparen sie jedoch nicht am Futter. Oftmals ist billigeres Futter zu stark geölt oder sehr staubig, was zu Misserfolgen in der Zucht führen kann. Manche Profis stellen sich ein Futter nach eigenem Rezept zusammen.  Im Frühjahr und Sommer fügt man die halbreifen Samen von allerlei Wildpflanzen wie Hirtentäschel, Müchdistel, Wegerich, Huflattich und Löwenzahn hinzu.  Grünfutter ist unerlässlich, und außer den Blättern der obengenannten Kräuter können Salat, Zichorie, Grünkohl, Spinat und geriebene Möhre gereicht werden. Zur Fütterung das ganze Jahr hindurch hat sich Vogelmiere bestens bewährt. Achtung! Vergewissern Sie sich, dass die gesammelten Futterpflanzen nicht mit Pestiziden oder durch Autoabgase verunreinigt sind. Am Besten werden die Futterpflanzen im eigenen Garten selbst angebaut. Da weiss man was man hat! Während der Paarungs- und Brutzeit gibt man zusätzlich in Milch erweichtes Weissbrot, mit hartgekochtem Hühnerei vermischt.  Gute fertige Weichfutterzusammenstellungen – sogenanntes Ei- oder Aufzuchtsfutter – sind ebenfalls auf dem Markt.
Das Trinkwasser ist natürlich jeden Tag frisch zu reichen.  Gekeimte Sämereien bilden neben dem Aufzuchtfutter eine wichtige Ergänzung des Speisezettels für Jungvögel.  Vielseitige Ernährung, zu der unbedingt auch tierische Stoffe wie Milch, Ei, Speck und Blattläuse gehören, sind die beste Garantie für gesunde Junge.  Sie werden dann auch gut durch die erste Mauser kommen, welche sechs Wochen dauert und alle Kraft des Vogels beansprucht.
Für die Zusammenstellung der Zuchtpaare ist noch einiges zu sagen.  Meist wird es ganz im Belieben des Züchters liegen, ein odere mehrere Weibchen einer bestimmten Farbvarietät mit einem bestimmten Hahn zu verpaaren.  Im Frühjahr sind die Geschlechter deutlich an der Form der Afteröffnung zu unterscheiden; diese ist beim Männchen etwas vorgestreckt und spitz, beim Weibchen dagegen flach.  Außerhalb der Brutzeit und bei Jungvögeln ist die Bestimmung der Geschlechter oft recht schwierig.  Manchmal sehr undeutliche Merkmale des Männchens sind die etwas kräftigere Gestalt, das größere Auge, der lautere Gesang, bei welchem die Kehle anschwillt, und die größere Lebhaftigkeit.  Der erfahrene Züchter hat hierfür einen gewissen Instinkt entwickelt und wird sich im Geschlecht seiner Vögel nur selten irren.  Bei einigen Farbschlägen steht von vornherein fest, welche Farbe die Männchen und welche die Weibchen haben werden, wodurch das Geschlecht schon bei den Nestjungen zu erkennen ist.  Weiteres hierzu unten. 
Hat man nun seine Entscheidung hinsichtlich der Verpaarung getroffen, so darf man die Vögel aber noch nicht so ohne weiteres zusammensetzen.  Da heißt es geduldig abwarten, bis sich Anzeichen für die Brutreife bemerkbar machen.  Die Vögel beginnen sich dann für das Weichfutter zu interessieren, und die Weibchen lassen sich von den Männchen füttern.  Nun erst, meist nicht vor Mitte oder Ende März, kann das Nistkörbchen in den Käfig gehängt und Nistmaterial – Sharpie, feines Heu, Moos, Hanffasern und Jute – gereicht werden.  Zunächst wird man feststellen, dass das Weibchen den Lockruf des Männchens erwidert, dass es mit einer Feder im Schnabel auf den Sitzstangen umherhüpft und sich gern füttern lässt.  Bald beginnt es nun auch mit dem Nestbau und beschäftigt sich damit so lange, bis es das erste Ei gelegt hat.
Schon eine Woche zuvor erhält das Weibchen feinen Grit zur Eischalenbildung, ferner Negersaat, die das Legen erleichtert.  Da der Vogel vom ersten Ei ab brütet, ersetzen viele Züchter die ersten beiden Eier unmittelbar nach deren Erscheinen durch Kunsteier und tun sie erst dann wieder ins Nest zurück, wenn das dritte Ei da ist.  Dies hat sich vor allem bei solchen Weibchen bewährt, die ihre Jungen nachlässig füttem.  Ein gutes Zuchtweibchen sucht das Nest zum Füttern auf, solange sperrende Junge darin sind.  In diesem Fall sind die zuletzt geschlüpften Jungen beim Ausfliegen mindestens so kräftig wie die Erstgeborenen.
Im allgemeinen legen Kanarien ihre vier bis sechs Eier in Abständen von einem Tag, wobei entweder ein Tag überschlagen wird oder zwei Eier an einem Tage gelegt werden.  Das erste Gelege im Jahr wird durchweg 14 Tage lang bebrütet, während spätere Gelege oft, infolge der höheren Brutwärme, schon nach 13 Tagen auskommen.
Sobald die Brut beginnt, muss  sich der Züchter entscheiden, ob er das Männchen beim Weibchen lassen oder es von diesem  trennen will.  Manche Weibchen lassen sich durch die Anwesenheit des Männchens nicht stören und bringen ihre Jungen mühelos und einwandfrei auf; andere hören auf  zu brüten, sobald der  Hahn entfernt  wird.  Dies hängt ganz  vom Temperament  des Vogels ab.  Allgemein kann man sagen, dass die Anwesenheit des Männchens von Vorteil ist, da es sich an der Aufzucht der Jungen beteiligt.
Bei der Wechselhecke im oben beschriebenen dreiteiligen Käfig wird das Männchen in den mittleren Teil gesetzt.  Eine Gitterwand sorgt dafür, dass es Kontakt mit dem am stärksten heckreifen Weibchen hat.  Zu geeigneter Zeit lässt man den Hahn zum Weibchen hinein, und wenn das Gelege vollzählig ist und die Brut  begonnen hat, wird er herausgenommen und wieder ins Mittelabteil verbracht, wonach die Gitterwand durch eine undurchsichtige Trennwand ersetzt wird.
Erstere kommt nun an die andere Seite seines Gelasses, bis zu dem Zeitpunkt, da das zweite Weibchen heckreif ist und er zu  diesem gesetzt werden kann.  Dort bleibt der Hahn wieder, bis die Paarung erfolgt ist und die Brut begonnen hat.  Dieses Verfahren kann man noch zweimal innerhalb der Brutperiode anwenden, doch ist  zu bedenken, dass hier die Weibchen die Last der Aufzucht allein zu tragen haben und auch noch für sich selbst sorgen müssen.
Es kann übrigens vorkommen, dass zwei Weibchen gleichzeitig die Heckreife erlangen, so dass es ein Nachteil wäre, den Hahn eine Woche oder länger bei einem von  ihnen zu  lassen.  In diesem  Fall kann man es ruhig riskieren, ihn morgens zu dem einen und mittags zu dem anderen Weibchen zu setzen und dies einige Tage nacheinander zu wiederholen.  Sind die Weibchen wirklich brutreif, so wird der Hahn sie auch bestimmt treten.

 

Die im Handel befindlichen Aufzuchtfuttersorten enthalten alle notwendigen Vitamine und und man geht am sichersten, wenn man diese Möglichkeit nutzt und nicht ein  Eifutter selbst  zusammenstellt.  Gekochtes Huhnerei ist nämlich ein ausgezeichneter Nährboden für krank machende Pilze und Bakterien.  Will man dennoch sein eigenes Eifutter herstellen, so sollte man das Ei mindestens eine halbe Stunde kochen und danach mehrere Stunden abkühlen lassen, so dass der Dotter vollkommen trocken ist.  Man zerdrückt es sodann mit einer Gabel, ohne es mit der Hand zu berühren, und vermengt es mit geriebenem Biskuit und feingemahlenem Rübsen und Leinsamen.  In der ersten Woche wollen die Jungen nur das Eigelb haben.
Während der Brut lässt man das Weibchen am besten ganz in Ruhe.  Es hat auch keinen Sinn, nach fünf Tagen die Eier zu durchleuchten.  Man kann ruhig die 13 oder 14 Tage abwarten.  Meist verläuft der Schlupf nach Wunsch.  Manchmal kommen aber nicht alle Jungen aus, weil einige Eier unbefruchtet und eingetrocknet sind oder weil der Keim abgestorben ist.  Die Ursache ist oft schwer festzustellen.  Es kann auch vorkommen, dass das Junge zwar lebt, aber nicht im Stande ist, die Eischale zu durchbrechen.  In diesem Falle kann man die Schale mit Hilfe eines Streichholzes zu beiden Seiten des Schnabels vorsicht lösen, doch muß man sich hüten, das Junge ganz auszupellen. Forciert man den natürlichen Gang der Dinge, so geht das Tier ganz gewiss ein.  Empfehlenswert ist es, dem Weibchen am dreizehnten Bruttage Gelegenheit zum Baden zu geben.  Dann geht es mit feuchtem Gefieder auf das Gelege, was dem Schlupf sehr förderlich ist.
Für ein gesundes Aufwachsen der Jungen kann der Züchter manches tun.  Das Eifutter muss täglich frisch gereicht werden, ebenso auch das Grünfutter.  Der zur Aufzucht verwandte Rübsen, der am besten in einer Pfeffermühle gemahlen wird, soll innen milchigweiß und ölhaltig sein.  Trocken gewordener Rübsen kann bei den Nestjungen zum Tode führen. Nicht zu empfehlen ist außerdem dunkler bitterer Rübsen.
Für das Verhalten des Weibchens während der Brut braucht nicht viel gesagt zu werden.  Ist es eine gute Mutter, so läuft alles wie am Schnürchen, es kann aber passieren, dass sie nach ein paar Tagen aufgibt, dass sie Schweiß absondert und die Jungen ebenfalls durchnässt oder dass sie diese aus dem Nest wirft.  Natürlich muss dann eingegriffen werden, falls dies noch hilft.  Das Schwitzen des Weibchens hat seine Ursache darin, dass es zuviel Weichfutter aufnimmt. Ein Gegenmittel ist Beschränkung auf Körner- und Grünfutter und eine Beigabe von Kochsalz zum Badewasser.  Statt Eifutter wird in diesem Fall besser in Milch erweichtes Weißbrot gegeben, und zwar  täglich frisch.  Junge, die von der Mutter nicht gefüttert werden, wird man meist über mehrere andere Nester verteilen müssen.
Normalerweise verlassen die Jungen das Nest im Alter von 21 Tagen, doch geht ihre Entwicldung manchmal etwas langsamer vor sich, so dass sie einige Tage später ausfliegen.  Man sollte sie dann nicht vom Nest scheuchen, denn solange sie es nicht von sich aus verlassen, sind sie auch nicht fähig, sich auf den Sitzstangen zu halten.
Das Beringen der Jungen geschieht, wenn sie 7-9 Tage alt sind.  Es erfordert eine gewisse Geschicklichkeit und etwas Übung.  Die flüggen Jungen lässt man so lange bei den Eltern wie möglich, da sie noch gefüttert werden.  Wenn das Weibchen wieder brutlustig wird und die Jungen umherzujagen beginnt, müssen diese von den Alten getrennt werden, und zwar nur durch ein Drahtgitter, durch welches hindurch sie der Vater noch weiterhin füttern kann. Erst wenn sie überwiegend Glanz fressen, setzt man sie in eine Voliere um, wo sie mehr Gelegenheit zum Fliegen haben.  Damit sie die Jugendmauser gut überstehen, soll ihnen bis dahin eine möglichst vielseitige Nahrung geboten werden.
Zucht und Vererbungslehre
Wer sich mit der Zucht des Kanarienvogels befassen möchte, sollte unbedingt Grundkenntnisse über die Vererbung beherrschen, da Zucht im Unterschied zur reinen Vermehrung der Art viel Verantwortung bedeutet. So müssen gewünschte Eigenschaften (Farben, Formen, Verhaltensweisen u.a.) gezielt durch die Zucht weiter gefestigt werden.
Wer einen schönen bunten Kanarienvogel mit einem anderen schönen bunten Vogel verpaart ohne die folgenden Vererbungsgrundsätze zu kennen, handelt verantwortungslos. Das gilt insbesondere dann, wenn durch die Zuchtverzufallung letale (tödliche) oder krankmachende Genfaktoren bei den Jungtieren zum Tragen kommen. Im Folgenden habe ich daher versucht, das notwendige Vererbungswissen so allgemein verständlich wie möglich darzustellen.
Soll die Vererbung möglichst von Grund auf betrachtet werden, kommt man nicht umhin, die Stellung unserer Kanarien im Tierreich kurz zu streifen.  Grundsätzlich wird unter dem Gesichtspunkt des Körperaufbaues zwischen „niederen und höheren Wesen“ unterschieden.  Die Vögel (und damit auch unsere Kanarien) gehören, wie der Mensch, zu den höheren Wesen, deren fertig entwickelter Körper aus einer Vielzahl von Zellen (Körperzellen) besteht.  Diese Vielzahl von Körperzellen haben die höheren Wesen in ihrem Entwicklungsstadium (Embryostadium) noch nicht. Am Anfang steht auch bei ihnen eine Körperzelle, die bei der Befruchtung aus der Vereinigung der Geschlechtszelle des Vaters (Samenzelle) und der Geschlechtszelle der Mutter (Eizelle) entsteht.  Die weitere Entwicklung (Wachstum) des Embryos geht durch fortlaufende Körperzellenteilung (Gleichteilung) vonstatten.
Die einzelne Körperzelle besteht aus einer Anzahl von Bauteilen.  Im Rahmen der Vererbung sind in erster Linie die im Zellkern befindlichen Chromosomen oder Kernschleifen interessant.  Die Kernschleifen sind immer paarig (zweimal) im Zellkern vertreten.  Die Anzahl der Kernschleifenpaare, die wissenschaftlich mit „n“ (n-Paare) bezeichnet werden, ist für jede Tierart verschieden.  Unsere Kanarien (Serinus canaria) haben nach derzeitigen Erkenntnissen 84 Chromosome oder 42 Chromosomenpaare.  Für die nachfolgenden Abbildungen wurde rein darstellungsmäßig die Zahl „4 n“ (4 Paare) gewählt, was keinesfalls mit der Zahl „n“ für Kanarien identisch ist.  Die Formen der Kernschleifen wurden bewusst verschieden dargestellt, um die einzelnen Paare leichter auseinander halten zu können und damit die Vererbung allgemein verständlicher zu machen.  Die einzelnen Chromosomen oder Kernschleifen setzen sich aus kleinen Scheibchen oder Kammern (den Genen) zusammen,was in Abbildung 3, einer Ausschnittsvergrößerung von Abbildung 1 schematisch dargestellt ist.

G e n e

Gene sind Erbanlagen zu bestimmten Erbeigenschaften (wie etwa Farbe, Gestalt, Form, Geschlecht, Gesang, Federstrukturen usw.). Der Begriff „Erbanlagen“ wird bewusst gewählt, weil die Gene keine fertigen Eigenschaften, wie oft fälschlich gesagt, sondern nur die Anlagen zu den Eigenschaften sind.  Die Gene (Erbanlagen) sind logischerweise genau wie die Chromosomen (Kernschleifen) in den Körperzellen immer paarig (2 mal) vorhanden.  Die Gene selbst werden mit Buchstaben, teilweise auch mit Buchstabenkombinationen gekennzeichnet oder besser gesagt symbolisiert:
z.B.:  R =Rot; G = Gelb; S = Schwarz; H = Haubenfaktor; M = Melaninbildung; r = Rot fehlt;
g = Gelb fehlt; s = Braun; m = Albinismus.
Aus diesen Beispielen ist ersichtlich, dass die Gene (Erbanlagen) teilweise mit großen und teilweise mit kleinen Buchstaben bezeichnet werden.  Das ist nicht zufällig so, sondern hat die Bewandtnis, dass alle dominanten (beherrschenden) Anlagen mit großen Buchstaben, und alle rezessiven (zurückweichenden) Anlagen mit kleinen Buchstaben bezeichnet werden:
S = Schwarz und s = Braun,
Schwarz dominiert also über braun, oder braun ist rezessiv gegenüber schwarz, oder auch braun wird von schwarz beherrscht.
Kleine Buchstaben können aber auch einen anderen Fall ausdrücken, nämlich eine fehlende Anlage, wie zum Beispiel
R = Rot und r = Rot fehlt.
Liegen Anlagen in dem selben Kernschleifenpaar, wie z.B. G, g und R, r vor, dann haben wir es mit einem gekoppelten Vorhandensein der Anlagen zu tun (Abb. 4a).
Ist das Kernschleifenpaar, in dem die Anlagen gekoppelt sind, gleichzeitig auch noch das Geschlechtskernschleifenpaar, so spricht man nicht von gekoppelt, sondern von gebundener, der geschlechtsgebundenen Vererbung (Abb. 4b).
Neben der bereits erwähnten Wachstums- oder Körperzellengleichteilung (Abb. 2), bei der aus der Ursprungszelle jeweils zwei identische Zellen entstehen, gibt es noch die 2. Geschlechtszellenteilung, auch Reduktions- oder Minderungsteilung genannt.  Die entstehenden Geschlechtszellen (Samenzellen beim Hahn, Eizellen beim Weibchen) haben die Charakteristik, dass sie keine Kernschleifen- und Genpaare, sondern nur einzelne Kernschleifen und Gene haben (Abb. 5).  Dieser Vorgang ist auch logisch nachvollziehbar.  Die Samenzelle des Vaters vereinigt sich mit der Eizelle der Mutter.  Beide Zellen haben jeweils eine Kernschleife und ein Gen zu den entsprechenden Anlagen, z.B. Farbe.  Durch die Vereinigung der beiden Geschlechtszellen entsteht die ursprüngliche Körperzelle des neuen Kanarienvogels, die dann wiederum jeweils zwei Kernschleifen bzw.  Gene besitzt.  Hätten die Geschlechtszellen jeweils zwei Kernschleifen bzw.  Gene wären in der neuen Körperzelle 4 Kernschleifen bzw.  Gene für die entsprechenden Anlagen vorhanden.
Geno- und Phänotyp
Schreibt man alle bekannten Symbolbuchstaben und damit einen Teil des Inhalts aller Körperzellen-Zellkerne eines Vogels auf, so erhält man die Erbformel.  Je nach Vollständigkeit wird dies auch als Erbbild (Genotyp) bezeichnet, dem gegenüber steht das Aussehen des Vogels, also sein Sichtbild (Phänotyp).

 

Sichtbild und Erbbild stimmen nicht immer überein, d.h. dass Vögel etwas anderes vererben, als sie in ihrem Aussehen (Sichtbild) erkennen lassen.
Es gibt dominante und rezessive Anlagen bzw.  Eigenschaften (mit Eigenschaften bezeichnet man fertige „Dinge“, wie Farben, Gestalt, Gesang usw.).  Die noch als Gene schlummernden Vorbedingungen zu den Eigenschaften nennt man Anlagen.  Etwas anders ausgedrückt, was beim Sichtbild die Eigenschaften, sind beim Erbbild die Anlagen. Gezeigt werden im Sichtbild nur dominante Eigenschaften, sie beherrschen die rezessiven Eigenschaften.  Die rezessiven Eigenschaften können nur dann im Sichtbild erscheinen, wenn die, sie beherrschenden, dominanten Eigenschaften nicht mehr vorhanden sind.
Ein im Sichtbild grüner Hahn (Weibchen sind hiervon wegen geschlechtsgebundener Vererbung ausgeschlossen) kann im Erbbild braun und / oder Verdünnung haben.
Ein im Sichtbild gelber Vogel (gleich ob Henne oder Hahn) kann im Erbbild englischweiß haben.
Ein Isabellvogel nach dem Sichtbild, ist auch nach dem Erbbild ein Isabellvogel.
Ändert sich plötzlich das Erbbild – das Sichtbild braucht sich dabei nicht unbedingt zu ändern – haben wir es mit einer Mutation zu tun (Mutationen sind immer erblich). Ändert sich jedoch nur das Sichtbild, ohne dass sich das Erbbild ändert, handelt es sich um eine Modifikation.
Durch Mutationen unterscheiden sich unsere heutigen Kanarienvögel vom Wildvogel Kanarengirlitz (Serinus canaria).  Eine Ausnahme hiervon macht der ebenfalls erbliche Rotfaktor, der durch Einkreuzung entstanden ist.
Modifikationen unserer Kanarien sind unter anderem farbgefütterte Vögel und auch solche mit Federdeformationen, bedingt durch Umwelteinflüsse.
Erbformeln
Die Kenntnisse über die Gesetzmäßigkeit der Genetik gehen auf die Versuche des berühmten Augustinermönches Johann Gregor Mendel (1822-84) zurück.   Die von ihm gewonnenen Erkenntnisse über die Gesetzmäßigkeit der Vererbung werden daher heute nach ihm benannt. Man spricht von den Mendelschen Gesetzen.
Für das 1. Mendelsche Gesetz gilt: Werden zwei reinerbige aber z.B.
farblich unterschiedliche Kanarien gepaart, dann sind die Nachkommen stets gleich.  Die erste Nachfolgegeneration ist die Filialgeneration, kurz F 1 genannt.  Wenn die Erbeigenschaften der Eltern – kurz P genannt –  gleich sind, bilden die Kinder, F 1 – Generation, eine Mischform und sehen gleich aus.  In diesem Zusammenhang spricht man von mittelnder oder intermediärer Vererbung.  Die F 1 – Generation ist spalterbig in den Eigenschaften beider Eltern.
In der Praxis erhalten wir solche mittelnde Formen bei der Paarungeeines gelben und roten Kanarienvogels. Die F 1 -Generation ist spalt orange (Vf 9 = GgRr).
Ist eine Erbeigenschaft eines Elternteils dominant, werden die Vögel der F 1 -Generation ebenfalls alle gleich aussehen und spalterbig sein.  Sie gleichen im Aussehen dem dominanten Elternteil.  Paart man z. B. einen Vogel der Schwarzreihe mit einem Opalvogel, werden alle Nachkommen schwarz aussehen und spalterbig in opal sein.
Wegen des gleichen Aussehens der Nachkommenschaft in der F 1 – Generation wird das 1. Mendelsche Gesetz auch das Gleichförmigkeits-, Uniformitäts- oder Reziprozitätsgesetz genannt.
Das 2. Mendelsche Gesetz wird auch als Spaltungsgesetz bezeichnet. Werden die Vögel der F 1 -Generation untereinander gepaart, spalten ihre Nachkommen, die F 2-Generation, sofern intermediäre Vererbung seitens der P-Generation vorlag, im Verhältnis 1:2:1 auf.  Bei dem o.a.
Beispiel müssten ein gelber-, zwei sparlt orange und ein roter Vogel zu erwarten sein.
Bei dem zweiten Beispiel, domirianter Schwarzvogel mal rezessiver Opalvogel, spaltet die F2-Generation auf im Verhältnis 3 : 1. Ich erhalte im Phänotyp drei Schwarzvögel und einen Opalvogel, der reinerbig ist.
Zwei der Schwarzvögel sind im Genotyp allerdings spalt opal, einer ist reinerbig, der durch Kontrollpaarungen festgestellt werden kann.
Im Phänotyp erhalte ich ein Verhältnis von 3 : 1,  im Genotyp das bereits bekannte Verhältnis von 1: 2: 1.
Neben der intermediären und dominant / rezessiven Vererbung gibt es auch die geschlechtsgebundene, die bei Kanarien recht häufig vorkommt.
Das Vorhandensein der geschlechtsgebundenen Erbmerkmale verändert naturgemäß die in den Gesetzen festgeschriebenen Verhältniszahlen.
Das 3. Mendelsche Gesetz lehrt, dass die verschiedenen Erbanlagen völlig unabhängig voneinander, also frei, vererben.  Als Beispiel sei genannt dass Melanine unabhängig von der Fettfarbe vererben, dass der Haubenfaktor unabhängig von anderen Faktoren vererbt, ebenso der dominantweiße, der Intensitäts-, Phaeo-und Opalfaktor.
Alle bekannten Erbeigenschaften zusammen ergeben die Erbformel eines Vogels.
Ein“schwarz weiß dominanter Hahn“ von rot, der braun- und verdünntblütig ist, kann folgende Formel haben: KK Ff GG rr XX MM Ss Dd hh.
Diese Erbformeln sind natürlich nicht vollständig, denn alle Erbanlagen sind noch nicht bekannt. Dennoch kann mit den bekannten und symbolisierten Anlagen eine ganz umfassende Aussage getroffen werden.
Allerdings ist das Vorherbestimmen von Zuchtergebnissen nicht ganz problemlos, da das im Voraus errechnete mit dem tatsächlich erzielten Zuchtergebnis nicht immer übereinstimmt, obwohl die Erbanlagen der Eltern bestens bekannt waren.
Wie kommt das ?
Auch hierfür gibt es eine Erklärung.  Bei einer Begattung übergibt der Hahn dem Weibchen nicht nur einige wenige Samenzellen, sondern Hunderte.  Es finden jedoch nur so viele Befruchtungen statt, wie das Weibchen reife Eizellen hat (in einem Gelege drei bis fünf).  Hätte das Weibchen nun genauso viele reife Eizellen, wie es vom Hahn Samenzellen bekommt und alles Nachkommen ergäbe, so würde das theoretische Ergebnis Bestätigung finden.  In der Praxis ist es aber so, dass nach der Begattung zwischen den Samenzellen des Hahns ein „Wettlauf“ zu den reifen Eizellen des Weibchens einsetzt, die stärksten (schnellsten) Samenzellen vereinigen sich mit den Eizellen und die Befruchtung ist abgeschlossen.  Hieraus kann gefolgert werden, dass nie präzise die zu erwartenden Jungtiere voraus bestimmt werden können.  Im Voraus ist nur der Rahmen, innerhalb dessen die Jungtiere fallen werden, bestimmbar.  Auf lange Sicht bei entsprechend viel gleichen Verpaarungen wird sich das theoretische an das praktische Ergebnis prozentual immer stärker annähern.
Um nun Verpaarungen auf dem Papier zu errechnen oder vorher zubestimmen, wird das zu Anfang erwähnte nochmals kurz ins Gedächtnis gerufen:
Die Körper unserer Kanarien als höheres Wesen bestehen aus einer Vielzahl von Zellen (Körperzellen).  Aus einigen dieser Körperzellen bilden sich bei der zweiten Reifeteilung die Geschlechtszellen (beim Hahn Samenzellen, beim Weibchen Eizellen).  Eine Eizelle verbindet sich bei der Befruchtung mit einer Samenzelle und es entsteht so die erste Körperzelle des neuen Wesens (Kanarienvogels).  Die Hälfte seiner Gene bekommt der Nachwuchs also vom Vater und die andere Hälfte von der Mutter.  Die erste Körperzelle des Embryos befindet sich nach der Legetätigkeit des Weibchens im Kanarienei.  Durch das Bebrüten beginnt nun der Embryo zu wachsen, d.h. die erste Körperzelle wird geteilt, aus der ersten Körperzelle (Mutterzelle) entstehen zwei Tochterzellen, genau gleichen Inhalts wie die Mutterzelle (Gleichteilung).  Die zwei Tochterzellen teilen sich nun wieder und es entstehen vier Körperzellen – so geht das \/Vachstum immer weiter (Abb. 6).
Soweit die Darstellung des Vermehrungsvorganges.  Nun das Ermitteln einiger Paarungsergebnisse oder besser gesagt, zeichnerische Darstellung von Erbvorgängen einzelner oder auch mehrerer Genpaare.  Hierzu stehen Hilfsmittel zur Verfügung.  In dieser Abhandlung wird mit dem Erbquadrat und dem Erbdiagramm gearbeitet, anhand derer die Erbvorgänge demonstriert werden.  Um den komplexen Bereich der Vererbung möglichst verständlich aufzuzeigen, wird mit dem Erbvorgang eines einzelnen Genpaares begonnen.
Den Fettfarbenausfärbefaktor symbolisiert man mit „F“- fehlt dieser Faktor haben wir „f‘.  Da die Gene in den Körperzellen immer paarig vorkommen, gibt es drei Kombinationsmöglichkeiten dieser Gene, nämlich „FF“, „Ff“ und „ff“.  Wie sehen nun diese Vögel in der Praxis aus, die unter anderem diese Genpaare haben?
FF     normal Fettfarbig (von Gelb bis Rot bei den Aufgehellten)
Ff     deutschweiß (das eine große „F“ reicht nur noch zur Ausfärbung eines farbigen Anflugs)
ff     diese Vögel sind nicht lebensfähig (letal)
deshalb nie deutschweiß x deutschweiß paaren
Wird ein gelber Hahn (FF) mit einem deutschweißen Weibchen (Ff) verpaart, sieht das Erbquadrat/Erbdiagramm wie Abb. 7a und 7b aus.
Die Handhabung dieser beiden Schemen ist denkbar einfach, aus den Körperzellengenpaaren werden einzelne Geschlechtszellengene gebildet, aus welchen wiederum Körperzellen der zu erwartenden Nachzucht gebildet werden.
Diese beiden Beispiele zeigen, dass einzelne Erbvorgänge, die speziell interessieren, ohne weiteres separat durchgeführt werden können.  Es ist nicht unbedingt erforderlich, mit den Vollformeln eines Paares zu operieren.  Die“Deutschweißvererbung“ eines Zuchtpaares ist durch das Beispiel voll und ganz geklärt.
Anders wird es, wenn zu diesen beiden Eigenschaften (Normalfettfarbig und deutschweiß) noch eine dritte Eigenschaft, sagen wir“englischweiß“ hinzukommt.  Eigentlich sollte deutschweiß und englischweiß nicht vermischt werden, aber möglich ist es.
Nun müssen wir aus den Körperzellen zwei Genpaare, nämlich die Anlagen, die für diese Eigenschaften kompetent sind, entnehmen.
Zu dem Fettfarbenausfärbefaktor = „F“ kommt nun noch der Karotinoideausbildefaktor  „K“.  So hat ein normal fettfarbiger Vogel die Formel „KKFF“ ein deutschweißer Vogel „KKFf“, ein englischweißer „kkFF“.  Dies sind drei Normalfälle.  Ein normal fettfarbiger Vogel kann aber auch die Formel „KkFF“ haben, dann ist er blütig in englischweiß, sieht jedoch normal aus. Ebenso kann ein deutschweißer die Formel „KkFf“ haben, dann ist auch er blütig in englischweiß und letztlich kann der englischweiße (normal „kkFF“) auch deutschweiß vererben und so die Formel „kkFf“ haben.
Wie die Geschlechtszellen (Samen- und Eizellen) aus den Körperzellen gebildet werden, ist anhand der fortlaufenden Nummerierung der Gene in Abb. 8 ersichtlich.  Jedes Gen eines Paares wird mit jedem Gen des oder der weiteren Paare kombiniert.
Obwohl hier nicht alle bis jetzt bekannten Gene von Farbenkanarien besprochen werden geht es in erster Linie um die Systematik der Vererbung. Als Abschluss der Ausführungen soll dennoch ein Erbquadrat mit je 4 Genpaaren beider Eltern aufeinander treffen Aufschluss geben.  Zu den zwei bereits bekannten Genen „F“ und „K“ kommen noch die Gene „G“ und „R“ (gelbe und rote Fettfarbe) hinzu.  Wie an den bis jetzt gezeigten Beispielen verfolgt werden konnte, gibt es für jedes neu hinzugekommene Genpaar zwei Rubriken horizontal und vertikal im Erbquadrat mehr.
Die vorstehenden Ausführungen wurden im Rahmen der Preisrichterausbildung erarbeitet und von meinen Schulungskollegen Jürgen Bockemühl und Ulrich Völker in den vorstehenden Abbildungen umgesetzt. Vielen Dank dafür an die Kollegen!